Nach dem Sprint-Spektakel in Valence, das Berg-Spektakel zum Mont Ventoux; ging es gestern um das Grüne Trikot, geht es heute um das gepunktete Leibchen des bergfesten Bergbesten! Und möglicherweise sogar um das Gelbe Trikot, das in Gefahr. Erst recht, wenn Hitze und Wind für überraschende Wetterverhältnisse sorgen sollten. Die Vorhersage macht Hoffnung auf reguläre Bedingungen: gemäßigte Temperaturen - um 25 Grad und heiter bis wolkig. Dann wäre der Einfluss eher gering.
164 Fahrer - 20 weniger als beim Tour-Start in Brest - stürzen sich kurz nach Mittag in Sorgues in der Nähe von Avignon in das Abenteuer Mont Ventoux, starten in die doppelte Entdeckungsfahrt zum Giganten in den Alpen. Zweimal in einer Etappe, das gab’s noch nie. Fast 200 km aus der Ebene über zwei Berge der 4. Kategorie, zwei der 1. und einen der Ehrenkategorie. Insgesamt 4.500 Höhenmeter - Rekord 2021. Schon der erste Berg der 1. Kategorie nach 83 km ist eine Herausforderung für alle: der Col de la Liguière, 9,3 km bergauf mit im Schnitt 6,7 %. Neu im Streckenplan einer Tour de France und wieder eine Entdeckung. Einer der schwersten Pässe im Vaucluse, sagen Experten. Spätestens da dürften die Sprinter bereits am Limit sein, hat ihr Leiden schon angefangen; da werden sogar diejenigen Profis Probleme bekommen, die körperlich und gesundheitlich nicht auf der Höhe sind.
Und dann der doppelte Mont Ventoux. Als wäre dieser kahle Berg nicht schon bei nur einer Kletterpartie ein Brett, das es mit letzter Kraft, Technik und Ausdauer zu überwinden gilt, verlangen die Streckenplaner eine zweite, besonders anstrengende Attacke auf knapp 2.000 m. Beim ersten Aufstieg beginnt nach dem Liguière das Kraxeln zum Ventoux in dem hübschen Ort Sault und damit der etwas längeren und etwas leichteren Auffahrt: 24,3 km mit 5 % durchschnittlicher Steigung. Und ab Chalet Reynard, wo sich beide Anstiege treffen, heißt es nur noch klettern, klettern. 6 km mit knapp 10 %. Und oben angekommen ist eben nicht Schluss. Sondern 20 km downhill nach Malaucène. Von dort weiter nach Bédoin, wo der 2. Aufstieg zu diesem mythischen Berg, um den sich so viele Geschichten ranken, beginnt - steiler und schwieriger schon vor Chalet Reynard. Diesmal macht die Auffahrt den 1.910 m hohen Gipfel zu einem Berg der Ehrenkategorie. Danach wieder bergab nach Malaucène ins Ziel dieser Etappe.
Zu den Eigenschaften einer Bergziege müssen die Fahrer auch ihre Steuerkünste in den gefährlichen und steilen Abfahrten unter Beweis stellen. Es wird auf die richtige Dosierung von Tempo und Risiko ankommen. Leiden werden sowieso alle - ob Sprinter, Ausreißer und Bergkönige. Eine Mischung von Vorfreude und großem Respekt hat die Fahrer erfasst. Ohne Frage einer der Höhepunkte der diesjährigen Tour. Und für die Klassementfahrer in Lauerstellung vor den Pyrenäen die vorerst letzte Chance zum Angriff auf die Reihenfolge in den Top Ten.