Auf zum letzten Akt in den Vogesen. Allerdings hat diese Etappe inzwischen eine andere Bedeutung, als die meisten Fachleute noch vor einer Woche erwartet haben. Denn die Tour de France hat von Anfang an für Überraschungen gesorgt. Und ganz besonders zu Beginn der dritten Woche. So war die Rennentwicklung jedenfalls nicht vorhersehbar. Auch im Radsport entscheidet nicht die Papierform sondern die Leistung auf der Straße. Und die war von Jonas Vingegaard seit dem Zeitfahren überragend. So dass nur noch ein Sturz oder ein anderes nicht wünschenswertes Ereignis die Wiederholung seines Triumphes von 2022 verhindern kann. Dennoch sollten diese 133,5 km mit der Überquerung von 6 Bergen für ein großes Spektakel sorgen.
Eine große Rolle wird die Fitness bzw. die Müdigkeit der nach dem Aus für 25 Fahrer noch verbliebenen 151 tapferen Zweiradspezialisten spielen. 6 Berge - einmal 3. und dreimal 2. und zweimal 1. Kategorie - machen diese relativ kurze Etappe noch einmal richtig schwer. Auch wenn auf diese Erhebungen anders als auf die in den Alpen oder Pyrenäen nicht 20 bis 25 km lang geklettert werden muss sondern bis auf einen nur 6 bis 7 km. Dennoch sind insgesamt über 3.600 Höhenmeter zu bewältigen. Schon nach 6 km muss erstmals geklettert werden - hinauf zum Ballon d’Alsace, dem ersten Berg der 2. Kategorie. 11,5 km mit 5,2 % Steigung im Schnitt. Wenn in der Abfahrt die Sprinter noch nicht abgehängt sind und sich an die Spitze zurückgekämpft haben, sollten sie die Gelegenheit nutzen und bei der Sprintwertung in Fresse-sur-Moselle Punkte zu sammeln. Danach wird es für alle Fahrer maximal anstrengend. Von kleineren Hügeln abgesehen führt der Parcours über zwei Berge der 2. Kategorie: zunächst den Col de la Croix des Monats (5,2 km à 7 %) und nur 8 km weiter über den Col de Grosse Pierre (3,2 km à 8 %). Die Strecke bleibt „oben“: weiter hoch zur Col de la Schlucht, inzwischen über 1.000 m 4,3 km à 5,4 %. Auch wenn dieser Berg zur 3. Kategorie gehört, ist der Aufstieg sehr anstrengend. Über Soultzeren und Munster nehmen die Fahrer Anlauf für das extrem schwere Finale mit den beiden Bergen der 1. Kategorie: zum Petit Ballon auf 1.163 m Höhe heißt es 9,3 km mit im Schnitt 8,1 % klettern und damit vergleichbar steil wie rauf nach Alpe d’Huez. Nach einer technisch anspruchsvollen Abfahrt führt eine Spitzkehre direkt in den Weg hinauf zum Col de Platzerwasel - 7,1 km à 8,4 %; beide Berge mit Passagen über 10 %. Es folgen noch 8 km zum Ziel Le Markstein Fellering. Noch einmal müssen die Fahrer also richtige Rampen bezwingen, ehe es zum Showfahren am Sonntag nach Paris geht.
Kampf um Bergtrikot und Tagessieg
Einer der Lieblinge unserer französischen Nachbarn, Thibaut Pinot, der aus der Nähe stammt, wird heute besonders motiviert sein. Denn seine Radsportkarriere nähert sich ihrem Ende. Ein Etappensieg in den Vogesen wäre ein würdiger Abschluss des bergfesten Pinot. Aber auch andere starke Fahrer wollen sich mit einem Sieg aus dem Rennen verabschieden. So z.B. der lange als mit Vingegaard gleichermaßen favorisierte Pogacar. Für ihn wäre es nach dem Einbruch am Col de la Loze ein versöhnlicher Abschluss. Ob deutsche Fahrer wie Georg Zimmermann oder Nils Politt nach den gestrigen Anstrengungen noch einmal angreifen werden, scheint eher unwahrscheinlich. Wäre aber für die sicher zahlreichen deutschen Fans an der Strecke eine ganz besondere Freude. Während die Vorsprünge beim Gelben, Weißen und Grünen Trikot zu groß sind, dürfte es im Kampf um das Bergtrikot heiß hergehen. Und natürlich um den Sieg in Le Markstein.