Geht es noch schwerer, noch anstrengender, noch spektakulärer? Ja heute, wenn die Tour in den Pyrenäen ihren Höhepunkt in Angriff nimmt und die beiden Berge der Ehrenkategorie Aubisque und Hautacam, die zudem den Col des Spandelles (1. Kategorie und Neuling bei der Tour) einrahmen, auf dem Streckenplan stehen. Mit 143,2 km wieder eine kurze Etappe, aber die dritte in den Pyrenäen in Folge. Und die hat in der Vergangenheit immer wieder Auswirkungen auf das Klassement gehabt. Es wird viel passieren. Ob diejenigen, die ihre Erwartungen bisher nicht erfüllen konnten, im Startort Lourdes eine Kerze aufgestellt haben?
Für Tadej Pogacar, den Herausforderer des seit dem Col de Granon in Gelb fahrenden Jonas Vingegaard, ist es die letzte Chance, seinen Kontrahenten entscheidend zu attackieren. Der gestrige Sieg, so der Zweite in der Gesamtwertung, hat für „zusätzliche Motivation“ gesorgt. Andererseits hat der junge Däne („Ich bin zufrieden mit der gestrigen Leistung.“) gezeigt, dass er gemeinsam mit dem zweifachen Tour-Sieger über die höchsten Berge mit den schwierigsten Anstiegen fahren kann. Ein Zweikampf um die Krone im Radsport, den es so spannend lange nicht gegeben hat. Als Zweiter und Dritter im Kampf um das Bergtrikot sind Vingegaard (12 Punkte weniger) und Pogacar (18) zudem die gefährlichsten Gegner von Simon Geschke. Auch wenn für sie das Gelbe Trikot im Vordergrund steht. Sollte es Geschke gelingen, den Aubisque und damit den ersten Berg der Ehrenkategorie in Führung liegend zu überqueren, ohne dass die beiden punkten, dann kann er schon den Champagner kalt stellen lassen.
Wenn's nach Geschke geht: späte Attacke der Favoriten
Das Profil der 18. und zugleich viertletzten Etappe der Frankreich-Rundfahrt 2022 bezieht den besonderen Reiz und Schwierigkeitsgrad aus der Kombination der drei Rampen - mit dem nicht kategorisierten Soulor sogar vier Rampen - auf den letzten 70 Kilometern der Etappe. Das bedeutet, nach der ersten Rennhälfte bis zum letzten Aufstieg so gut wie keine Möglichkeit der Erholung oder zum Verschnaufen. Zählbares gibt es ab Kilometer 58,5 km beim Zwischensprint in Laruns. Ab sofort das heftige Auf und Ab. Zunächst 16,4 km à 7,1 % auf den Aubisque in 1.709 m Höhe; eine kurze Abfahrt und wieder hoch zum Col de Soulor, 1.474 m. Es folgt eine längere Abfahrt um rund 1.000 m, ehe wieder geklettert werden muss: 10,3 km à 8,3 % zum Col de Spandelles; ein schwieriger Pass mit schmalen Straßen, wild und steil mit Passagen von 10 % und neu im Angebot der Tour. Und wieder geht's bergab, 14 km lang. Danach sofort weiter in den Anstieg nach Hautacam. 13,6 km à 7,8 %. Die Steigung wird von km 7 an unregelmäßiger und schwankt im Schnitt von 6,8 bis 11,3 %. Spätestens hier ist der Bereich für entscheidende Attacken, mit direkten Auswirkungen auf die Top Ten. Denn die Distanzen sehen nur auf dem Papier beruhigend aus. So hatte Pogacar am Granon fast drei Minuten auf Vingegaard verloren. Also bleibt Vieles möglich. Die Auseinandersetzungen sprechen von den Etappensiegen zwar für Pogacar. Aber bei seinen bisherigen Siegen hat er dem Dänen bisher nur 43 Sekunden abgenommen und das dank zweier Zeitgutschriften. Und auf das Zeitfahren am Samstag wird er sich nicht verlassen können, wenn er doch noch in Paris als Gesamtsieger feiern will. Also ist er heute - wie einige andere - zum attackieren gezwungen.