Für Laurent Jalabert wird die heute beginnende letzte Tour-Woche „furchterregend“, für Marion Rousse, Direktorin der Frauen-Tour de France, einfach nur „schrecklich“. Schon der Auftakt mit dem kurzen aber schweren Bergzeitfahren in der 16. Etappe und der erwarteten Auseinandersetzung zwischen Vingegaard und Pogacar wird dem jährlichen französischen Sommer-Theater ein neues spannendes Kapitel bescheren. Das an das Sekunden-Septakel 1989 zwischen Fignon und Lemond erinnert. Zumal die Abstände über das Duell der beiden Ausnahmefahrer hinaus für einen Kampf der übrigen Besten auf Biegen und Brechen sorgen werden - um den dritten Podiumsplatz und um einen Platz unter den Top-Ten.
Also Vorhang auf zum nächsten Akt mit dem einzigen Zeitfahren der Tour 2023 über 22,4 km von Passy nach Combloux in den Alpen. Zwei Dinge werden entscheidend sein: Wie die Fahrer den zweiten Ruhetag überstanden haben und ob sie auf dieser kurzen Strecke sofort ihren Rhythmus finden. Der Kurs erfordert jedenfalls ca. 30 Minuten absolute Konzentration. Ein sehr schneller Beginn über den Anstieg zur Côte de la Cascade de Coeur nach 4,1 km von 500 auf über 750 Meter. Dabei 1,5 km mit 8 % Steigung. Weiter über eine rasante Strecke im Tal des Flusses Arve mit gut ausgebauten Kurven. Danach beginnt das entscheidende Finale über 6,5 km von der Gemeinde Domancy bis hinauf zum gleichnamigen Berg der 2. Kategorie in 810 m Höhe und 2,5 km mit einer durchschnittlichen Steigung von 9,4 % sowie einem Abschnitt mit 15 %. Dann noch 3,5 km leicht ansteigend zum Ziel in Combloux in 974 m Höhe. Viel wird auch von der Wahl der Rennmaschine abhängen und ob Fahrer ihr Sportgerät unterwegs je nach Profil der Strecke wechseln werden. Die Zwischenzeiten werden nach 7,1 Km in Passy Chef-Lieu und nach 16,1 km in Domancy gemessen. Und noch einmal 3,5 km vor dem Ziel.
Kampf um jede Sekunde
Die Zuschauer dürfen sich auf mehrere Rennen an einem Tag freuen, wenn es zwischen den Zeitfahrspezialisten um den Gewinn der Etappe und bei den beiden Super-Favoriten im Gesamtklassement auch heute wie eigentlich schon seit Beginn der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt um Sekunden geht - und ob sie als am Schluss startende Fahrer die bis dahin notierte Bestzeit womöglich unterbieten können. Kleiner Vorteil für den Mann in Gelb, dass er nach seinem Herausforderer in das Zeitfahren startet und so eventuell auf dessen Zwischenzeiten reagieren kann. Beide kennen die Strecke und werden sie am Ruhetag und/oder am heutigen Morgen noch einmal fahren, um ihren endgültigen Schlachtplan festzulegen. Entschieden wird die Tour heute noch nicht. Vorentschieden vielleicht schon.