Einer dieser Pioniere auf zwei Rädern war der Bayer Josef Fischer. Unterstützt von einem Fahrradfabrikanten sollte er die Werbetrommel für das Fahrrad rühren - und genau das tat er: Fischer wurde einer der erfolgreichsten Radfahrer seiner Zeit. So siegte er unter anderem bei den Fernfahrten Wien-Berlin, Moskau-St.Petersburg und Mailand-München, wobei hier zum ersten Mal auch die Berge mit dem Rad überquert wurden.
Fischer besiegt das Pferd
Noch allerdings konnte sich das Rad nicht gegen das Pferd durchsetzen. Dem deutschen Militär gefiel die krumme Haltung der Radfahrer nicht, so etwas sei eines deutschen Soldaten nicht würdig, meinte man. Dabei hatte Fischer sehr wohl bewiesen, dass das Fahrrad als Alternative zum Pferd taugt. Während er die 580 km von Wien nach Berlin in etwas mehr als 31 Stunden absolvierte, benötigte der Sieger des Distanzritts auf selber Strecke über 70 Stunden. Nur Züge waren schneller als Fischer, mit ihnen war man zwischen 15 und 19 Stunden von Wien nach Berlin unterwegs.
Fahrrad statt Fußball
Auch über 100 Jahre nach Josef Fischer hatte das Fahrrad einen großen Konkurrenten: John Degenkolb konnte sich zunächst nicht mit dem Radfahren anfreunden, lieber wollte er mit seinen Freunden Fußball spielen. Als er dann doch an seinem ersten Radrennen teilnahm und dieses gleich gewann, gab es für den jungen John kein anderes Ziel mehr; er wollte Radprofi werden. Und so entwickelte sich der gebürtige Geraer zu einem der stärksten Sprinter und Klassiker-Spezialisten der Welt.
2015 wurde sein großes Jahr. Zunächst gewann er den Klassiker Mailand-San Remo, dann machte er sich auf nach Nordfrankreich. Sein Ziel: Der Sieg beim vielleicht spektakulärsten aller Eintages-Rennen, Paris-Roubaix. Im Jahr zuvor war Degenkolb Zweiter in der „Hölle des Nordens“ geworden, jetzt wollte er den Sieg.
Erster Sieger in Roubaix
Im Jahr seines Triumphes bei Wien-Berlin trug Josef Fischer noch einen weiteren, außergewöhnlichen und doch ungemein wichtigen Sieg davon. Über sieben Stunden, verteilt auf drei Tage, trat er gegen den Reiter G. F. Cody, einen Sohn des legendären Buffalo Bill, an. Auf dem Gelände des Münchner Velociped-Clubs absolvierte Fischer 258 km auf dem Rad, während Cody auf 208 km zu Pferd kam. Einmal mehr hatte die Fahrradindustrie Grund zum Jubeln.
1896 schließlich wurde in Frankreich ein neues Rennen ins Leben gerufen: Paris-Roubaix war geboren, und Josef Fischer stand natürlich am Start. Nach 280 km, immer wieder über Kopfsteinpflaster-Straßen, auf denen sonst eigentlich Pferde-Fuhrwerke unterwegs waren, und insgesamt neun Stunden und 17 Minuten Fahrzeit, erreichte Fischer das Ziel als Erster. Damals konnte er noch nicht wissen, dass er damit einen historischen Sieg errungen hatte. Es dauerte 109 Jahre, ehe sich ein Landsmann Fischers in die Siegerliste der „Königin der Klassiker“ eintragen konnte.
Letzter Sieger in Roubaix
John Degenkolb fuhr ein aufmerksames Rennen. Er trat erst in Erscheinung, als sich die 133. Austragung von Paris-Roubaix dem Ende näherte und setzte alles auf eine Karte. Der Alptraum seiner Kontrahenten wurde war: Sie mussten gemeinsam mit Degenkolb im alt-ehrwürdigen Radstadion von Roubaix um den Sieg sprinten. Diese Chance ließ sich der zu diesem Zeitpunkt 26-Jährige nicht entgehen. Der stärkste und mutigste Fahrer des Tages ließ Zdenek Stybar und Greg Van Avermaet deutlich hinter sich und wurde so der zweite deutsche Gewinner des Rennens nach Josef Fischer. Seine Fahrtzeit: fünf Stunden, 49 Minuten. Allerdings war Degenkolbs Rad nur rund ein Drittel so schwer wie das von Fischer, dazu verfügte er über Gangschaltung und Freilauf…
2016 muss der Profi vom Team Giant-Alpecin aufgrund von Verletzungen, die er sich bei einem Unfall im Januar zuzog, auf eine Teilnahme bei Paris-Roubaix verzichten.
Noch nicht alles erreicht
1903 stand Josef Fischer am Start der ersten Tour de France der Geschichte. Doch das Rennen kam für den mittlerweile 38-Jährigen ein paar Jahre zu spät, er musste sich sich mit dem 15. Rang im Gesamtklassement zufrieden geben. So weit vorne wird John Degenkolb vermutlich niemals landen. Dennoch bleibt ihm die Chance auf einen Erfolg, den Fischer nicht erreichte: einen Etappensieg bei der wichtigsten Rundfahrt der Welt. 2017 soll es soweit sein.