Überraschend schafften zunächst zwei Fahrer aus dem gleichen Team, sich vom Hauptfeld abzusetzen: Das deutsch-französische Duo Tony Martin und Julian Alaphilippe von Etixx-Quick-Step widersetzte sich insbesondere den Versuchen von André Greipels Lotto Soudal, sie zu stellen. Nachdem der Vorsprung auf 50 Sekunden angewachsen und bald wieder gesunken war, wuchs er nach 30 Kilometern auf über eine Minute an. Aus dem Feld heraus waren Konterattacken zu beobachten. Alle waren rasant unterwegs – fast 50 Sachen in der ersten Stunde. Es hatte den Anschein, das Feld ließ die beiden Ettixx-Fahrer ziehen. Lediglich ein Quartett mit Timo Roosen (Lotto-Jumbo), Lawson Cradddoch (Cannondale), Nicolas Edet (Cofidis) und Vegard Breen (Fortuneo) bemühte sich um Anschluss. Die Abstände nach 60 Kilometern: Fünf Minuten auf das Feld und 1:40 Minuten auf die Verfolger. Mit ansteigendem Charakter...
Tony Martin am längsten an der Spitze
Nach der zweiten Rennstunde, die im Schnitt mit rund 43 km/h zurückgelegt wurde, zunächst ein unverändertes Bild. Das Verfolger-Quartett kam nicht näher und wurde noch vor der Einfahrt in die Schweiz von dem mittlerweile schneller werdenden Feld dank der Sprinterteams an der Spitze geschluckt. 100 Kilometer vor dem Ziel sank auch der Vorsprung der beiden Ausreißer von zwischenzeitlich sechs auf jetzt vier Minuten. Da sich immer mehr Teams an der Nachführarbeit beteiligten und die Beine der Spitzengruppe müder wurden, reduzierte sich der Vorsprung kontinuierlich. Beim Zwischensprint hatten Alaphilippe und Martin noch anderthalb Minuten Vorsprung. Dritter wurde hier Sagan vor Cavendish und Coquard, ohne dass wirklich um die Punkte gefightet wurde.
Martin UND Alaphilippe kämpferischste Fahrer
30 km vor dem Schluss war Martin alleine unterwegs, sein Fluchtkollege war fix und fertig. Mit den letzten Körnern schleppte sich Martin Richtung der angeblich einzigen Schwierigkeit der Etappe, der Cote de Mühleberg. 22 km vor dem Ziel war auch für ihn die Solofahrt zu Ende – nach einer tollen Leistung. Den einen Bergpunkt hatte er noch soeben mitgenommen. Eine weise Entscheidung der Renn-Jury: Martin und Alaphilippe wurden als kämpferischste Fahrer ausgezeichnet und standen wieder vereint auf dem Podium.
Faszinierendes Finale in den Straßen von Bern
Nach dem Zusammenschluss die ersten erfolglosen Attacken. Ex-Weltmeister Rui Costa hatte den besseren Zeitpunkt für seinen Angriff erwischt. Er brachte es auf bis zu 18 Sekunden Vorsprung – nicht genug, um das jagende Feld bis zur Ziellinie zu distanzieren. 4 Km vor dem Ziel war auch seine Attacke vorbei. Das schwierige Finish begann: viele Kurven, Brücken, Kopfsteinpflaster, bergauf. Faszinierender Schlussspurt mit Lokalmatador Cancellara, dann zwischen Kristoff, Sagan, Enger, Degenkolb und Matthews. Fotofinish zwischen Kristoff und Sagan – Kristoff riss die Arme hoch – aber um Reifenbreite schaffte Sagan seinen dritten Etappensieg. Dritter Sondre Holst Enger vom Schweizer Team IAM vor dem Deutschen aus dem Team Giant Alpecin, der lange das Hinterrad von Sagan gehalten hatte, am Ende aber leicht abgedrängt wurde und sich mit dem vierten Platz vor Matthews begnügen musste. Cancellara wurde Sechster.
Auch wenn Kittel und Greipel mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun hatten, war es alles in allem ein großer Tag für den deutschen Radsport.