Nervöser Auftakt der elften Etappe im mittelalterlichen Carcassonne kurz vor 14.00 Uhr. Nach einem Quasi-Ruhetag für die Tour-Favoriten bei der gestrigen Etappe heute ein extrem schneller Start für die verbliebenen 192 Fahrer, mit ersten Ausreißversuchen bei Rückenwind und einer Reihe von zum Glück glimpflich verlaufenen Stürzen, in die als prominentestes Opfer Thibaut Pinot verwickelt war. Der französische Meister Arthur Vichot (FDJ) und Bahnfahrer Leigh Howard (IAM) waren besonders angriffslustig und brachten bis zu drei Minuten zwischen sich und das Peloton. Die Côte de Minerve (4. Kategorie), 38 km nach dem Start, nahm Vichot vor Howard. Gleiches Bild bei der zweiten Bergwertung. Das gepunktete Trikot auf den Schultern von Pinot war allerdings nicht in Gefahr. Gefahr drohte eher vom starken Wind...
Würde die Windkante entscheiden?
Im Peloton drückten die Sprinterteams aufs Tempo, so dass die 190 Fahrer wie an einer Perlenschnur aufgereiht durch die sommerliche Landschaft düsten. Und schon bildete sich ein zweites Feld u.a. mit Gallopin, Voeckler, Chavanel und Keldermann. 80 km vor dem Ziel hatten die Ausreißer nur noch zwei Minuten Vorsprung und die abgehängten Fahrer eine Minute Rückstand auf die Favoriten. Während die meisten den Anschluss herstellten, platzte das Hauptfeld erneut auseinander. Windkante hieß das Zauberwort, das dazu beitrug, dass sich vier, fünf Gruppen bildeten. Gleichzeitig schrumpfte der Vorsprung der beiden Ausreißer auf eine halbe Minute – Ende absehbar. Das bedeutete für alle Fahrer treten, treten und nochmals treten.
Marcel Kittel siegt beim Zwischensprint
Mal sah es so aus, als wäre das Feld von wenigen Ausnahmen abgesehen wieder zusammen, mal bildeten sich neue Gruppen. Immer wieder fuhren Teams auf Windkante. Der Träger des Gelben Trikots sorgte mit seinem Team ebenfalls für eine Tempoverschärfung. 60 km vor Montpellier holte das erste Feld die Ausreißer nach ihrem 90 km langen Soloritt ein und bereitete den Zwischensprint bei Pézenas vor. Das zweite Feld mit Pinot und Tony Martin, dem wichtigen Helfer für Marcel Kittel, war mittlerweile rund 50 Sekunden zurück. Dennoch sicherte sich Kittel dank der Hilfe anderer Teamkameraden den Zwischensprint vor Sagan und Cavendish. Auch wenn von Greipel hier nichts zu sehen war, war die Welt der reinen Sprinter hier noch in Ordnung.
Mit dem Wind im Bunde
Vor allem das Team von Pinot (Francaise des Jeux) hatte ein Interesse daran, ins Hauptfeld zurückzukehren und führte entsprechend die 81 Fahrer starke Gruppe an. Der Zusammenschluss gelang, auch weil vorne Tempo rausgenommen wurde. Die verschiedenen Windkanten schienen demnach nicht wirklich entscheidend, hatten jedoch auf jeden Fall viel Kraft gekostet. Kraft die auf den letzten Kilometern fehlen konnte, zumal der Wind wieder zunahm. Es blieb eine nervöse Etappe. Noch elf Kilometer. Und plötzlich attackierten Sagan und Froome mit je einem Teamkameraden von vorne. Wieder splitterte sich das Feld in mehrere Teile auf. Neben den Sprinterteams waren vor allem Quintana und die übrigen Mitfavoriten von diesem entschlossenen Antritt überrascht. Cavendish nahm nach einem Platten bereits 5 km vor dem Ziel enttäuscht die Beine hoch. Spät, vielleicht zu spät reagierten die Sprinterteams auf den Coup von Sky und Tinkoff: über 20 Sekunden Vorsprung für das Quartett an der Spitze.
Chapeau: Sagan und Froome düpierten die Konkurrenz
Beim letzten Kilometer war klar, dass nur einer der Vier Etappensieger werden würde, obwohl die Sprinter den Abstand verkürzen konnten. Aber gegen die Power dieses Quartetts nach einer wahrlich schweren Etappe hatten alle das Nachsehen. Auch die Experten, die einen Massensprint vorhergesagt hatten, wurden von den beiden übermächtigen und taktisch mit allen Wassern gewaschenen Froome und Sagan überrascht. Und der Gewinner hieß nach diesem Parforceritt Peter Sagan, der dem mitsprintenden Froome den Sieg auf den letzten Metern wegschnappte. Am Ende waren es zwar nur wenige Sekunden, die sie den Mitkonkurrenten voraus hatten. Aber ihren Vorsprung bei Gelb und Grün konnten sie dennoch ausbauen. Marcel Kittel, der auf den zweiten Sieg bei dieser Tour gehofft hatte, war am Ziel fix und fertig.
Etappenrückblick
13 Juli 2016
- 17:57
Sagan und Froome, die etwas anderen Fahrer
Tour de France 2016 | Etappe 11 | Carcassonne > Montpellier