Wetterumschwung bei der Rückkehr des Tour-Trosses von Andorra nach Frankreich. Ein Temperatursturz um über zehn Grad, Nebel und tief hängende Wolken beim Aufstieg und vor allem bei der Abfahrt des Port d'Envalira. 193 Fahrer nahmen die 197 km nach Revel in Angriff. Unmittelbar nach dem Start hieß es wieder klettern – der Abschied von den Pyrenäen wurde den Fahrern nicht leicht gemacht, galt es doch, das Dach der diesjährigen Tour mit 2.403 m zu überwinden. Brice Feillu startete die erste Attacke, bald versuchten es weitere Fahrer.
In Richtung Gipfel sorgten vor allem Peter Sagan und Thibaut Pinot für Tempo. Bald gehörten 26 Fahrer zur Ausreißergruppe. Oben angekommen war Rui Costa der Schnellste. 32 Sekunden vor seinen Fluchtkollegen. Auf der halsbrecherischen Abfahrt im Nebel schlossen Sagan und Nibali zu dem Portugiesen auf. Später kam Michael Matthews dazu. Zur gleichen Zeit musste Sebastian Langeveld aufgeben. Den Verfolgern des Quartetts gelang es ebenfalls aufzuschließen. 13 Fahrer – das schien Sagan zu viel. Erneute Attacke, diesmal zusammen mit Samuel Dumoulin (AG2R). Mit Greg van Avermaet und Sylvain Chavanel ersetzten zwei andere Fahrer das ausgerissene Duo, das aber die Führung nur kurz behaupten konnte. Mittlerweile hatten die Ausreißer einen recht komfortablen Vorsprung von drei Minuten. Offensichtlich ließ das Feld die Gruppe gewähren, nachdem es anfangs so ausgesehen hatte, als wollten die Sprinterteams bei der Vergabe des Siegers mitmischen.
Die Ausreißer auf und davon
Nach Temperaturen um die 20 Grad und Nebel begann es jetzt zu regnen. 100 km vor dem Ziel und 93 vor der letzten schwierigen Passage, einem Berg der 3. Kategorie, wuchs der Vorsprung des „königlichen Ausreißversuchs“ von 15 Mann über sechs Minuten. Elf Teams hatten mindestens einen Fahrer dabei, die elf anderen hatten den Absprung verpasst. Darunter Team Katusha, das einen Versuch unternahm, die Ausreißer vor dem Ziel wiederzusehen. Als der Vorsprung auf über sieben Minuten anwuchs, nahmen auch diese Fahrer die Beine hoch. Es blieb dabei: Der Sieger würde unter den 15 an der Spitze zu finden sein. Was bereits für den Zwischensprint in Aigues-Vives 74,5 km vor Revel galt, den Peter Sagan kampflos für sich entschied. Womit er das Grüne Trikot von Mark Cavendish eroberte.
Deutsche Teams und Fahrer vorne nicht dabei
Aus deutscher Sicht verlief die 10. Etappe chancenlos – kein deutscher Fahrer sowie kein Mitglied der beiden deutschen Teams Giant-Alpecin und Bora-Argon 18 – war in der Ausreißergruppe vertreten. Erst spät kam Bewegung ins Feld durch IAM und Direct Energie, so dass der Vorsprung schließlich auf unter vier Minuten sank. Auch weil die Spitzengruppe bei Castelnaudary vor dem Ziel auseinander fiel. Sieben von den ursprünglich 15 konnten sich absetzen. Natürlich mit Peter Sagan, der dafür sorgte, dass der Abstand zur zweiten Gruppe u.a. mit Nibali rasch auf eine Minute anwuchs. Im Hauptfeld hatte man die Verfolgung nun endgültig aufgegeben. Neuer Abstand zur Spitze über fünf Minuten.
Nur noch sieben machen Tempo
11 km vor Revel bolzten nur noch die „glorreichen Sieben“ Tempo. Nibali & Co hatten jetzt zwei, das Feld knapp sieben Minuten Rückstand. Sagan oder Matthews? Wer würde nach der Côte de Saint-Ferréol als Erster in Richtung Ziel stürmen. Viel sprach für Peter Sagan, der unterdessen als kämpferischster Fahrer der heutigen Etappe ausgezeichnet wurde und locker an der Spitze über die Kuppe fuhr. Die anderen sechs Fahrer überließen ihm die Führungsarbeit; Matthews am Hinterrad des Führenden. Allerdings konnte sein Teamkollege Durbridge das Tempo nicht mitgehen. Als Erster der jetzt sechs Fahrer attackierte Boasson Hagen – ohne Erfolg. Dann Impey – dito. Er blieb aber vorne. Auch beim Teufelslappen einen Kilometer vor dem Ziel. Als Van Avermaet an letzter Stelle fuhr, schoss er aus dem Windschatten nach vorne – Signal für den finalen Sprint. Die schnellsten Beine hatte erwartungsgemäß Michael Matthews vom Team Orica-BikeExchange, der damit seinen ersten Etappensieg bei einer Tour de France herausfuhr. Er siegte vor Sagan, Boasson Hagen, Van Avermaet und Dumoulin.
Heute wechselte nur das Grüne Trikot den Besitzer: Peter Sagans Einsatz hatte sich gelohnt. Cavendish muss das begehrte Shirt an den amtierenden Weltmeister abgeben. Ebenso der von Orica-BikeExchange, die drei Fahrer in der letzten Gruppe hatten. Eine starke Teamleistung, die vom Sieg ihres Sprinters Matthwes gekrönt wurde. Das Feld kam schließlich mit rund zehn Minuten Rückstand ins Ziel.